Coming Out

Coming Out

2. November 2018 0 Von Ghostwriter

Seit ich mir die­ser Vor­lie­be bewusst bin, stel­le ich mir regel­mäs­sig die Fra­ge, wann ich es öffent­lich machen soll. Ob ich es über­haupt öffent­lich machen soll. Was pas­siert mit mei­nem Leben, wenn ich es öffent­lich mache. Hin und wie­der ver­schwin­det es etwas aus mei­nem Bewusst­sein und gerät eine Wei­le in Ver­ges­sen­heit. Es gibt nur ganz ganz weni­ge Men­schen, die dar­über Bescheid wis­sen. Mei­ne Schwe­ster, ist ja ganz klar. Lei­der ist sie nicht sehr posi­tiv ein­ge­stellt zu die­ser Sache. Sie unter­stützt es nicht, bekämpft es aber auch nicht, wofür ich ihr sehr dank­bar bin. Frü­her wäre ein Outing sicher etwas ein­fa­cher gewe­sen,  da hat­te ich mei­nen Arbeits­platz hin­ten links in irgend­ei­nem Büro und der Kon­takt mit Kun­den fand etwas dezen­ter statt. Ich war eine eher unwich­ti­ge Per­sön­lich­keit, auf deren Mei­nung nie­mand so rich­tig Wert leg­te. Heu­te bin ich in der Erwach­se­nen­bil­dung tätig was bedeu­tet, dass man eine Ver­ant­wor­tung trägt gegen­über den Schü­lern und auch eine gewis­se Vor­bild­funk­ti­on ein­neh­men muss. Ist in einer sol­chen Situa­ti­on ein Outing dann über­haupt trag­bar? Wie wür­den mei­ne Schü­ler dar­auf reagieren? 🙄

Hin­zu kommt natür­lich auch die Fra­ge, was so ein Outing für mich per­sön­lich bedeu­tet. Füh­le ich mich dann bes­ser? Hilft es mir, mei­ne inne­re Mit­te zu fin­den, wenn die gan­ze Welt von die­ser Nei­gung weiss? Oder anders her­um gefragt: lei­de ich dar­un­ter, wenn ich es nicht mit­tei­le? Zuge­ge­ben, manch­mal wäre es schon schön, mit Gleich­ge­sinn­ten dar­über spre­chen zu kön­nen. Erfah­run­gen aus­zu­tau­schen mit Men­schen, die so den­ken wie ich, kön­nen das Leben extrem berei­chern. Natür­lich bin ich nicht die ein­zi­ge, die so denkt und fühlt. Ich weiss, es gibt tau­sen­de, ja hun­dert­tau­sen­de Men­schen da draus­sen, die sind wie ich. Die Mehr­heit steht sicher dazu, doch es gibt auch ein paar, die bis heu­te nicht den Mut gefun­den haben, Far­be zu bekennen.

War­um kommt denn aus­ge­rech­net jetzt der Wunsch auf, mich zu outen? Seit einer Wei­le wer­de ich min­de­stens drei­mal die Woche dar­an erin­nert. Im Fern­se­hen. Und jedes­mal, wenn ich es sehe den­ke ich, wie befrei­end es sein muss, davon schwär­men zu kön­nen, ande­ren zu erzäh­len, wie glück­lich man damit ist. Ich wer­de jetzt ein­mal tief durch­at­men und es öffent­lich machen: ich bin.… NEIN, nicht was ihr jetzt denkt.… tztztztzt.…  also noch­mals von vor­ne: ich bin… ein beken­nen­der Kel­ly Fami­ly Fan! So, jetzt ist es raus. Puh.…   das war ja gar nicht so schwer. 😆

Seit den 90er Jah­ren bin ich fas­zi­niert von der Lebens­ge­schich­te die­ser aus­ser­ge­wöhn­li­chen Fami­lie, von die­sen vie­len, ein­zig­ar­ti­gen Per­sön­lich­kei­ten. Ihre facet­ten­rei­che Musik mit den tief­grün­den­den Tex­ten beglei­tet mich schon ein paar Jahr­zehn­te und half mir durch eini­ge Lebens­kri­sen. Sie schrie­ben alle Songs sel­ber und ich habe gros­sen Respekt davor, dass man als 11jähriger Teen­ager einen Welt­hit schrei­ben kann. Als mein Exmann und ich bei unse­rer Schei­dung unser Hab und Gut auf­ge­teilt haben, krall­te ich mir alle Kel­ly Fami­ly CD’s und hät­te ihm die Augen aus­ge­kratzt, hät­te er auch nur eine davon haben wol­len…  😈  Sogar als es ruhig wur­de um die Grup­pe und jeder sei­nen eige­nen Weg ging, tru­gen mich ihre Songs immer wie­der durch har­te Zei­ten. Umso­mehr freu­te mich ihr Come­back und dass Micha­el Patrick Kel­ly nun als Coach bei The Voice of Ger­ma­ny sitzt, ist für mich Grund genug, mir die­se For­mat anzuschauen.

So, nun wis­sen alle Bescheid. Nur bezweif­le ich ganz stark, dass die­ses Bekennt­nis irgend einen Ein­fluss auf mich oder mein Leben haben wird. Und es ist auch nicht wich­tig, ob ich nun zu einer Mehr­heit oder einer Min­der­heit gehö­re. Die Kern­aus­sa­ge die­ses Bei­tra­ges ist eine ganz ande­re: wenn euch etwas wich­tig ist, so steht dafür ein. Nie­mand muss sich ver­stecken, weil er anders den­kend ist. Und nie­mand, ich beto­ne NIEMAND hat das Recht, über ande­re zu urtei­len, nur weil er nicht der­sel­ben Ansicht ist. Auch ich erwi­sche mich immer mal wie­der dabei, wie ich mir eine Mei­nung über jeman­den bil­de anstatt zu ver­su­chen, zu ver­ste­hen. Noch schlim­mer ist es, jeman­dem sei­ne eige­ne Mei­nung auf­zwin­gen zu wol­len und so Ein­fluss auf sein Leben zu neh­men. Natür­lich hat jedes Ver­hal­ten eine Kon­se­quenz, die es zu tra­gen gilt. Doch sich zu ver­stecken, wird auf Dau­er tie­fe Nar­ben hin­ter­las­sen. Jeder soll sein Leben so leben, wie es für ihn stimmt. Es gibt vie­le Situa­tio­nen, die wir nicht beein­flus­sen kön­nen. ABER… wir kön­nen bei jeder Situa­ti­on sel­ber ent­schei­den, wie wir damit umge­hen. Wir müs­sen nicht alles akzep­tie­ren. Nicht jeder fin­det in sei­nem Tun oder Den­ken mei­ne Zustim­mung und dann liegt die Ent­schei­dung bei MIR, ob ich dabei bin oder ob ich mich distan­zie­re. So ein­fach ist es.

In die­sem Sin­ne: Leben und leben lassen 🙂