Auf leisen Sohlen
Er findet mich, immer wieder. Egal, wo ich hingehe und wie tief ich mich verkrieche. Er verfolgt mich, nimmt mir immer wieder etwas weg, das ich liebe. Das mir wichtig ist. Das mir etwas bedeutet. Und sie alle können nichts dafür, was auch immer zwischen ihm und mir steht. Heute hat er sich erneut ein Leben geholt und mich wie so oft weinend zurück gelassen.
Der Tod.
Diesmal hat er Haouli Cat über die Regenbogenbrücke geschickt. So sinnlos. Und wie jedes Mal die unerträgliche Frage nach dem Warum. Warum gerade eines meiner Büsi? Warum schon wieder ich? Warum kann er mich nicht endlich für eine Weile in Ruhe lassen? So viele geliebte Seelen musste ich in den letzten 3 Jahren gehen lassen, so viel Schmerz habe ich ertragen, nur Erinnerungen, die geblieben sind. Erinnerung an Menschen, die mir nahe standen. Erinnerungen an Tiere, die mich jahrelang begleitet haben. Und jedesmal hat der Tod ein Stück von meinem Lachen mitgenommen, ein Stück von meiner Freude, ein Stück von meinem Leben. Geblieben sind mir Tränen, Trauer und die Angst vor jedem neuen Tag.
Haouli Cat… ein unglaublicher Stern erstrahlt nun am Himmel. Sie war etwas ganz Besonderes. Für Haouli gab es keine Grenzen, die war ein Freigeist. Schon als sie klein war zeigte sie ihren starken Charakter. Dieses ’sperre eine Katze an einem neuen Ort mindestens 10 Tage ein’ war so gar nicht ihr Ding. Haouli war 2008 bei mir eingezogen und randalierte schon nach 2 Tagen, weil sie nicht nach draussen durfte. Versuche, sie an einem Katzengeschirr durch die neue Umgebung zu führen, scheiterten kläglich. Sie kletterte dann einfach auf einen Baum und liess mich stundenlang mit der Leine in der Hand unten stehen. Eines Tages — sie war so um die 6 Monate alt — verschwand sie einfach und kam nicht wieder. Tagelang suchte ich intensiv nach ihr, verteile Flugblätter, klingelte an den Häusern, fragte nach, sprach die Menschen auf der Strasse an. Ich fuhr jeden Tag mit dem Fahrrad stundenlang durchs Dorf, suchte jeden Winkel, jedes Loch und jedes Abflussrohr nach Haouli ab. Ich kämpfe mich von vorne durch das ganze, langgezogene Dorf, gab einfach nicht auf. Ich verteilte unermüdlich meine Flugblätter, fragte jede Person, die ich antraf. Auf einmal war da dieser Schüler, er kam auf mich zu und fragte, ob ich die Frau sei, die die helle Katze vermisste. Ich bejahte. Er meinte, er hätte das Flugblatt gesehen und diese Katze würde bei einer Schulfreundin wohnen, da oben, bei den Häusern am Hang. Er streckte seine Hand aus und zeigte mir das Haus. Ich rannte natürlich sofort los, erreichte das Haus, klingelte und wartete angespannt. Eine Frau machte auf, schaute mir fragend an, doch ich war so aufgeregt, ich konnte ihr nur das Flugblatt entgegen strecken. Sie nahm es in die Hand und sagte:‘Ja, dieses Büsi ist bei uns. Schon seit über einer Woche’. Sie erzählte mir, dass ihnen diese Katze an dem Tag, als ihr Vater gestorben sei, zugelaufen wäre. Ihre Tochter würde sehr unter dem Verlust des Grossvaters leiden und die Katze weiche seither nicht von der Seite des Mädchens. Ich war etwas sprachlos. Haouli war gekommen, um zu helfen. Da sie auf der anderen Seite des Dorfes wohnten, hatte die Familie noch nicht mitbekommen, dass ich schon seit Tagen nach dem Büsi suchte. Ich war natürlich überglücklich und nahm Haouli wieder mit nach Hause. Seit diesem Tag ist sie nie wieder weg gelaufen.
Haouli war nicht gerade der Inbegriff eines Kuschelbüsis. Sie entschied, wann sie gestreichelt werden wollte und auch gleich, wie lange. Herumtragen ging gar nicht, das war unter ihrer Würde. Schliesslich hatte sie selber vier Pfoten, auf denen sie ganz gut gehen konnte. Sie war die Ruhe selbst. Solange es nach ihrem Kopf ging. Wir wohnten knapp eine Woche im neuen Haus in Frankreich, da habe ich beschlossen, Tür und Tor für die Katzen zu öffnen, weit zu öffnen. Nur, um zu verhindern, dass ich meinen Verstand verliere. Es war kaum auszuhalten, angestiftet von Haouli rebellierten sie zu Dritt gegen mich — Memphis und Momo natürlich vorne mit dabei. Kaum konnten sie nach draussen, kehrte schlagartig Ruhe ein.
Haouli Cat… ich werde Dich so sehr vermissen. So unauffällig Du manchmal auch erschienst, so stark warst Du und stets ein Vorbild für mich. Läufts gut, dann halte Dich still, läufts nicht, so teile Dich mit. So warst Du. Danke für die Zeit, die wir mit Dir verbringen durften. Danke für Deine Fürsorge all die Jahre und danke, dass Du da warst ?
Nun bist Du auf dem Weg über die Regenbogenbrücke, auf dem Weg zu Kimi, Deinem Enkel, der schon im Juni voraus gegangen ist. Hier auf der Erde wirst Du neben ihm Deine letzte Ruhe finden, auf der Wiese, mit freiem Blick über das Tal ?
Run free, kleine Haouli Cat, run free.….